Anfassen und Mitmachen erwünscht Heimat- und Apothekenmuseum in Weferlingen stellt altes Handwerk vor

Museen sind besser als ihr Ruf. Wenn die Geschichte spannend und greifbar präsentiert wird, kommen
auch die Besucher, so auch am Sonntag ins Heimat- und Apothekenmuseum in Weferlingen.

Dass ein Museumsbesuch alles, aber nicht langweilig ist, zeigte sich am Sonntag im Heimat- und Apothekenmuseum in Weferlingen. Es roch nach Seife, diversen Kräutern, frisch gedrechseltem Holz und altem Eisen. Und ein bisschen war es wie ein Überraschungsei. Es gab Spannung, Spiel und Spaß, frei nach dem Motto – anfassen, mitmachen und erleben.s3

 

Im Fokus stand an diesem Tag das Handwerk. Genauer gesagt das alte Handwerk, längst vergessene Berufe, die früher teils das Leben eines ganzen Dorfes bestimmten. Zum Internationalen Museumstag waren sie wieder präsent. Auch dank Gerd Müller und Peter Laureth. Im Vordergrund stand das Erleben. Altes Werkzeug, das früher einmal Klempner, Schlosser, Dachdecker oder Tischler benutzten, war auf dem Burghof ausgestellt. Manche Stücke hatten schon mehr als 100 Jahre auf dem Buckel und man sah  ihnen an, dass die Handhabung ein Mindestmaß an Kraft erforderte. Vieles konnte und sollte auch von den Besuchern ausprobiert werden. Die Drechselbank zum Beispiel. „Wir wollen das Handwerk, das gerade bei jungen Menschen immer weniger Beachtung findet, vermitteln“, sagt Müller. Der Museumsleiter arbeit als Berufsschullehrer und hat 19 Jahre auch Tischler ausgebildet. Weg vom Daumenkino und wieder mehr mit der Hand arbeiten – das sei das Anliegen an diesem Tag.

Lukas Rieck beim Schleifen von Drechselholz

Lukas Rieck beim Schleifen von Drechselholz

Lucas Rieck nutzte die Gelegenheit, um sich an der Drechselbank auszuprobieren. Der Neunjährige schaute zunächst seinem Kumpel Paul Braatz über die Schulter und legte dann selbst Hand an. Ausgestattet mit Schleifpapier und unter Aufsicht und Führung dann beim Hobeln eines Holzstückes.

Der Griff anfangs zaghaft, wurde zusehends sicherer. Die Späne flogen umher. Es roch nach Holz. Im Nu verwandelte sich der raue Kanten in ein glattes sauberes Stück Holz und ähnelte mehr und mehr einer Art Kerzenständer.

 

Muskelkraft statt Strom

Muskelkraft brauchte es, um eine alte Bohrmaschine in Gang zu bringen.

peter laureth

Peter Laureth zeigte dem siebenjährigen Johann Matthey, wie das Teil funktioniert. Kurz danach probierte sich der Junge selbst daran. Angesichts der Wulstmaschine, mit der früher die Bleche für Dachrinnen gebogen wurden, werden die Dachdecker von heute aufatmen, das derartiges Werkzeug der Vergangenheit angehört. Klischees, wie das der schweren körperlichen Arbeit, gehören in vielen Handwerksberufen längst der Vergangenheit an. Inzwischen haben moderne Maschinen vieles übernommen, was früher noch schweiß- und kraftaufreibend war. Sehenswert auch die alte Schuhmacherwerkstatt, die in den Räumen des Museums aufgebaut wurde. Sie stammt von Müllers Schwiegervater, der sie 1947 in dritter Generation übernommen hatte. Ihr Ursprung lässt sich bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts in Hödingen zurückverfolgen.

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Die alte Schuhmacherwerkstatt, von Otto Müller aus Hödingen, ist im Museum zu besichtigen.

Was viele nicht wissen: Hödingen war früher ein Schusterdorf. Über 30 Schuhmacherei Werkstätten zählte der Ort einst. „Dort wurden schon Schuhe für den Kaiser hergestellt. Hauptsächlich Militärstiefel“, wusste Müller zu berichten. Allein vom Schuhhandwerk konnten die Menschen damals aber nicht leben. So betrieben viele nebenher auch Landwirtschaft. Maßschuhe auf Leisten von Hand gefertigt – da steckt viel Arbeit drin. Werkstätten, die dieses alte Handwerk ausüben, findet man heute nur noch selten.

 

Gäste beim Kaffeetrinken und klönen.

Gäste beim Kaffeetrinken und klönen.

Geheimnisvolle Labore

Geheimnisvoll hingegen mutete die alte Apotheke, die sich ebenfalls im Inneren des Museums befindet, an. Die Regale reichen bis zur Decke. Ordentlich aufgereiht stehen dort Gläser und andere diverse Gefäße, teils aus Porzellan oder Eisen. Sie sind beschriftet mit allerlei lateinischen Namen.

kinder apotheke

Kinder beim Kräutersalz herstellen.

......und die Erwachsenen wollen auch mal probieren, ob sie mit dem Mörser umgehen können

……und die Erwachsenen wollen auch mal probieren, ob sie mit dem Mörser umgehen können

Was sich darin befindet, behielt Apothekerin „Frau Anne“, wie sie überall nur genannt wird, für sich. Normalerweise hat Anne-Katrin Stick noch das typische Apotheker-Kostüm übergeworfen, wenn sie hinter dem Tresen steht und den Besuchern zeigt, wie früher und teils sogar noch heute Salben und Pillen hergestellt werden. Doch an diesem Tag hat sie darauf verzichtet. „Der Zeit wegen“, sagte sie. Denn Stickl arbeitet, wie alle anderen im Museum, ehrenamtlich hier und hatte zuvor einen anderen

Termin. Doch kaum war sie im „Labor“, drückte sie den Besuchern Mörser und Pistill in die Hand und ließ sie ihr eigenes Kräutersalz zusammenrühren. Ein anstrengender Prozess, der für den Moment den ganz typischen Geruch einer alten Apotheke von Arznei und Chemie in die Nase zauberte. Im Raum nebenan duftete es hingegen nach ätherischen Ölen.

Britta Tischmacher bei ihrer Passion. Das Seifensieden beherrscht sie perfekt.

Britta Tischmacher bei ihrer Passion. Das Seifensieden beherrscht sie perfekt.

Dort zeigte Britta Tischmacher aus Behnsdorf, wie Naturseifen handwerklich hergestellt werden. Für ihre Seifen verwendet sie ausschließlich natürliche Öle und Fette. Sieden, rühren, schneiden, abfüllen, stempeln, etikettieren und verpacken. Aufwendig, doch wer das Endprodukt, ein wohlriechendes Stück Seife, in der Hand hält, weiß: Der Aufwand ist es wert. Nicht alles ist in Museen zum Anfassen. Zum Beispiel das Arztzimmer, das sich in der oberen Etage verbirgt und durch eine Glaswand geschützt ist. Drei junge Leute stehen davor und starren auf uralte Geräte, die für Untersuchungen verwendet wurden. Behandlungsliege, Stethoskop, Blutdruckmessgeräte und viele andere Exponate verursachen bei nährer Betrachtung eine leichte Gänsehaut. „Das macht Angst“, meinte Michelle Schmidtchen. Die 20-Jährige arbeitet selbst in einem Krankenhaus und absolviert derzeit an der Wolfsburger Klinik eine Ausbildung zur Krankenpflegerin. „Das wirkt alles so dunkel, kalt, angsteinflößend. Mit heute nicht mehr vergleichbar, worüber ich sehr froh bin.“

Quelle: Ines Jachmann Volksstimme Haldensleben 17.06.2022