Tag der süßen Tour 2021

113 Jahre lang hat die Zuckerfabrik das Leben in Weferlingen mitbestimmt. Einmal im Jahr wird diese Zeit auf Bildern und Dokumenten wieder lebendig, und damit auch in den Erinnerungen vieler Weferlinger und Nachbarn.

Der Bürgerverein Weferlingen hat sich der Geschichte des Fleckens verschrieben. Das betrifft nicht nur den Markgrafen von Kulmbach-Bayreuth und sein Mausoleum, sondern ebenso jüngere Geschichte. Alljährlich zum Süßen Tag im Oktober geht es ganz besonders um ein Stück Industriegeschichte. 1877 wurde die Zuckerfabrik in Weferlingen in Betrieb genommen, 1990 wurde sie geschlossen und anschließend abgerissen. Geblieben sind nur Straßennamen, denn auf dem einstigen Fabrikgelände stehen heute unter anderem Tankstelle und Einkaufsmärkte. Am Süßen Tag erinnert in der Bibliothek eine umfangreiche Ausstellung über die Fabrikgeschichte. Um die 200 Männer und Frauen haben Mitte der 1980er Jahre in der Rübenkampagne in der Zuckerfabrik gearbeitet. Zwischen 1000 und 1200 Tonnen Rüben wurden pro Tag verarbeitet. Zucker aus Weferlingen wurde 1960 bis 1989 sogar in die Sowjetunion, nach England, Island, Indien, in den Sudan, die BRD und nach Westberlin exportiert, und zwar über den Hamburger Hafen.

Auf dem Monitor in der Bibliothek laufen abwechselnd zwei ganz unterschiedliche Filme. Einer entstand in der letzte Kampagne 1990 kurz vor der Schließung. Beschäftigte der Zuckerfabrik Clauen haben damals die Weferlinger Fabrik besucht und sich vom Betriebsleiter Thilo Zellmann führen lassen. Klaus Busse hat darüber einen Film aufgenommen, sein Freund Henning Serger hat ihn an den Bürgerverein weitergereicht. Im niedersächsischen Clauen wurde damals Rohzucker produziert, in Weferlingen Weißzucker. Die Fabrik in Clauen gibt es heute noch. Der zweite Film gibt einen Einblick in die moderne Rübenverarbeitung in Klein Wanzleben.

Zeitweise geht es am Süßen Tag fast wie bei einem Ehemaligentreffen der Zuckerwerker zu. Männer und Frauen sehen sich die Filme an oder die Tafeln mit Dokumenten und Fotografien, die Bernd Hoffmann zusammengestellt hat. Dabei leben Erinnerungen auf, zum Beispiel an Flugasche auf Fensterbänken, an den Lärm und den unverkennbaren Geruch, der während der Kampagne einfach nicht weichen wollte.

Viele Familien haben auf dem Fabrikgelände gewohnt. Wenn Rohrzucker aus Kuba verarbeitet wurde, konnte man kein Fenster aufmachen, erzählen ein paar Frauen. Der Rohrzucker lag im Freien, und überall schwirrten Wespen und Bienen. Rohrzucker wurde hier ab 1978 verarbeitet, jährlich zwischen 3000 und 7000 Tonnen. Die Kinder seien nie mit sauberen Schuhen zur Schule gekommen, erinnern sich die ehemaligen Zuckerwerker, denn überall auf dem Betriebsgelände sei es schlammig gewesen.

Bernd Hoffmann ergänzt die Ausstellung immer wieder. Auch jetzt kann er wieder ein neues Exponat hinzufügen. Klaus Hirschfeld bringt am Wochenende Kopien von Absenderfreistempeln mit. Der Philatelist aus Haldensleben stammt aus Klinze und kennt die Zuckerfabrik noch aus seiner Schulzeit.

 

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Klaus Hirschfeld (r.) überrascht Bernd Hoffmann mit Kopien von Absenderfreistempeln der Zuckerfabrik Weferlingen. Auch Bernd Hoffmanns Enkelinnen Catharina (l.) und Alexis sehen sich die Stempel an.

Text & Foto: Marita Bullmann